home topics rss search mail to claus

Old Death

Ich bin ihm heute im Bus begegnet. Lichte, weiße Haare, eine Austrahlung von Leblosigkeit, hageres und doch volles Gesicht, den Körper in abgetragener Kleidung verpackt. Wir fahren eine Station zusammen bis zum Bremer Hauptbahnhof. Er steigt aus, und schon stürzen sich zwei lebende Tote auf ihn, denen man ihre langjährige wie traurige Drogenkarierre am ganzen Leib ablesen kann. Er, tätowiert, uralte Jeansjacke mit Marlboro-Päckchen in der Brusttasche, flüstert ihm laut genug zu, als dass ich es noch durch die göffneten Bustüren hören kann: Lass uns weitergehen, dahinten stehen die Bullen". Sie bleiben. Kurz darauf werden Taschen durchwühlt und zwei Fäuste begegnen, öffnen, leeren und füllen sich. Stoff gegen Kohle.
Sie dagegen lamentiert, artikuliert, zelebriert ihren Auftritt. Die Bustüren sind bereits wieder zugefallen und ersticken die Details. Old Death schaut stur geradeaus und würdigt sie mit keiner Geste. Kein Geld, endloses Verlangen.
Ich sehe in ihr noch nicht völlig zerstörtes Gesicht, ahne die Persönlichkeit, die sie nicht mehr ist und doch hätte werden können, ärgere mich. Irrsinnig. Würde gerne aus dem Nichts eine Staffel Polizei über beide regnen lassen können.
Dann fährt der Bus an, die Szenerie entschwindet meinem Sichtfeld und ich konzentriere mich nur noch darauf, mit der sperrigen Tüte in der Hand in der Kurve einer rumpeligen Busfahrt nicht den Halt zu verlieren.

Nicht den Halt verlieren. Ich ahne, daß das manchmal schon sehr viel sein kann. Wenn das Leben plötzlich ins Rutschen gerät und man festhält, sich nicht den Fliehkräften des Körpers hingiebt.

Ein Old Death wartet nämlich bereits wieder der nächsten Station unseres Lebens auf uns.
Und keine Polizei dieser Welt kann ihn vertreiben.
Leider.
Mittwoch, 8. September 2004, 00:44, von claus x | |comment