Donnerstag, 9. Januar 2014
Fettiges Segel
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etwas Feuerholz für die Küche zu holen. Hier gab's
viel zu sehen. Ich schnüffelte alles durch. Erstaunt
fragte ich Horst, was sie mit diesem fettigen Segel
machten, daß ich in der äußersten Ecke gefunden
hatte. Da wurde ich gewahr, daß es zum Abdichten
eines Lecks gebraucht wird, wenn das Leck für die
Leckschrauben zu groß ist. Der Schiffer sagte mir
nachher, als wir uns darüber unterhielten, daß sie
früher, als er noch als Schiffsjunge fuhr,
auch einmal ein großes Leck gehabt hätten. Aber da
sie das Lecksegel verlegt hatten, preßten sie eine
Speckseite darauf, die den gleichen Zweck erfüllte.
Man muß sich in der Not eben zu helfen wissen.
Es wurde schon dunkel, und wir schalteten die
Positionslampen an. Hoffentlich schafften wir es
noch bis Rinteln, ehe es ganz Nacht würde. Kurz
vor dem Rintelner Hafen schmissen wir den
Hamburger los, der
jetzt wieder solange
warten musste, bis
ein anderes Schiff
ihn ins Schlepptau
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Mittwoch, 8. Januar 2014
Steine
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beifuhren, schrie der Schiffer dem Vorarbeiter zu,
daß die "M. S. Henni" morgen nachmittag hier
anlegen würde. Langsam schob sich die "M. S. Henni"
an der Werft vorbei,
denn hier war die
Strömung beson-
ders stark. Der Was-
serstand fiel im-
mer noch, da jetzt
die Edertalsperre
nur noch wenig Wasser zuschoß. Die Schraube
war schon einige
Male auf Grund ge-
kommen und ha-
te kleine Kieselstei-
ne in den Tunnel
geschleudert. Ober-
halb Hameln hät-
ten wir bei diesem Wasser unmöglich fahren
können; denn dort liegen Felssteine im
Fahrwasser. Wenn die Schraube da gegenschlägt,
springt sie entweder ab oder sie wird stumpf.
Horst und ich gingen jetzt in den Packraum um
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Dienstag, 7. Januar 2014
Neidische Blicke
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ebenso früh aufstehen wie sonst. An diesem Tage
machten wir nur die nötigsten Arbeiten. Neues
Zeug konnten wir an Bord nie anziehen. Immer,
wenn an Land ein Ehepaar im Sonntagszeug
spazierenging, sah ich richtig, wie der Schiffer
und der Matrose neidische Blicke auf sie warfen.
Auf einem Motorschiff kommt es selten vor, daß
man sontags einmal an Land gehen kann. Nur
wenn die Flüsse im Winter Eisgang haben und
die Schiffe im Hafen liegen oder im Ruhrgebiet
auf Zeche warten müssen, können sie manchmal
sogar 14 Tage Urlaub machen. Ihr Geld bekommen
sie dann für's Faulenzen. Mein Gott, was habe ich
mich erschrocken! Ich schaute gerade ins kochen-
de Schraubenwasser, als der Hamburger wieder
einmal seinen Wutanfall bekam und ihn dann
am Schiffsjungen auslassen wollte. Seine Kraft-
rede schallte nur so über Deck, und der Junge
machte, daß er verschwand, weil er sonst noch
eine Ohrfeige hätte einstecken müssen. Die meisten
Jungen, die bei solch einem barbeißigen Schif-
fer in die Lehre gegangen sind, heuern bald
wieder ab. Als wir bei der Werft in Uffeln vor-
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Montag, 6. Januar 2014
In den Schlaf gesungen
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wo wir mit schadenfrohem Gelächter empfangen
wurden. Das machte uns nichts aus. Wir hatten
uns wenigstens ausgetobt.
Am Abend legten wir in Petershagen - Schifferbe-
rufsschule - an; denn wenn es auf der Weser dun-
kel wird, darf man nicht weiterfahren. Anders
ist es auf dem Kanal. Hier kann ein Schiffer
mit Genehmigung der Wasserschutzpolizei auch
mit starken Scheinwerfern fahren. Nachdem wir
im Maschinenraum alles in Ordnung gebracht
hatten, die Lampen, außer der Ankerlaterne,
ausgeschaltet sowie unseren hungrigen Magen
gefüllt hatten, gingen wir in die Kajüte des Schiffers,
der mit dem Hamburger und dessen Matrosen
Karten spielte. Bei einem Glas Bier tauschten sie
ihre Jugenderlebnisse aus, und das alte Schiffer-
handwerk stand mit all seinen Begebenheiten
wieder auf. Bis in die späte Nacht hinein saßen
wir hier alle gemütlich zusammen, ehe die Ham-
burger, Horst und ich in unsere Kajüten gingen,
wo wir von den gegen die Bordwand plätschern-
den Wellen in den Schlaf gesungen wurden.
An dem nun folgenden Sonntag mußten wir
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Sonntag, 5. Januar 2014
Blitzschnell
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wechslungsreicheren Mittelgebirge. Hier im Tal
war es trotz heißem Wetter dunstig. Es war so
heiß, daß ich oft mit Horst über Bord springen
wollte, wenn ich
sah, wie sich die
anderen Leute im
Wasser erquicken
konnten. Auf dem
Kanal hätte der
Schiffer es auch
wohl erlaubt, aber hier auf dem Strom wollte er
das nicht. Aber wir taten es schließlich doch. Als
der Schiffer einen Augenblick abgelenkt wurde,
sprangen wir blitzschnell über Bord. Oh, wie war
das schön kühl! Das war ein Spaß, wo wir es doch
nicht durften. Als wir das Ufer erreicht hatten, lie-
fen wir ein Stück voraus und schwammen dann
der "M. S. Henni" wieder entgegen, um uns am
Klippanker an Deck zu ziehen, mußten aber so
lachen, daß keiner von uns den Anker erreichte
und beide Schiffe an uns vorbeifuhren. Ungefähr
eine Stunde liefen wir über Wiesen und Zäune
hinterher, ehe wir beide wieder an Deck standen,
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Porta Westfalica
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gebracht, als ein Elbschiffer, der hier mit Motoren-
schaden lag, anfragte, ob wir ihn nicht mit in
Schlepp nehmen könnten. Nach einigen Hin
und Her willigte unser "Alter" ein. Als wir am 500t
großen Elbschiffer vorbeifuhren, warf uns der Ham-
burger ein Drahtseil herüber, das Horst hinten am
Schleppoller festlegte. Mit dieser zusätzlichen Last
des Elbschiffes mach-
ten wir uns mit ver-
minderter Fahrt auf
den Weg gegen die
immer stärker wer-
denden Strömung. Der
Schiffer hatte sich
ausgerechnet, daß
wir am Montag auf
der Werft sein konn-
ten, den Termin al-
so trotzdem ein-
hielten.
Wir fuhren jetzt
durch die Porta Westfalica. Die Marschlandschaft
war verschwunden. Wir befanden uns jetzt im ab-
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Samstag, 4. Januar 2014
Zeitverlust
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Strom. Das gewohnte, gleichmäßige Motorengeräusch
klang wieder an unser Ohr. In drei Tagen sollte die
"M. S. Henni" auf der Werft sein, und um den er-
littenen Zeitverlust wenigstens zur Hälfte aufzuho-
len, ließ der Schiffer den Motor auf vollen Touren
laufen.
Die Weser wand sich in vielen Kurven durch die
Landschaft, so daß man kaum einen Kilometer ge-
rade Sicht hatte. In Minden machten wir noch einmal
im Abstieghafen fest,
um bei der Esso Bun-
ker Station noch
5000 Liter Rohöl in uns-
eren 10000 Liter Tank
zu bunkern. Inzwi-
schen trug der Schiffer
ins Schiffstagebuch
ein, wie unsere Fahrt
gestern verlaufen
war. Das muß jeden
Tag genacht wer-
den. Er hatte grade
alles in Ordnung
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Freitag, 3. Januar 2014
Schwingbaum
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der Zeiger rapide auf Null fiel. Wütend darüber,
daß wir nicht einmal mehr die fehlenden 2 Kilo-
meter bis Stolzenau geschafft hatten, ließ er ein
ellenlanges Schimpfwort vom Stapel. Herrisch
gab er uns dann den Befehl: " Laßt den Anker ins
Wasser!". Schnell hatte sich der Klippanker am
Grunde festgezurrt. Mit dem Schwingbaum schwang
sich Horst, mit einem kleinen Stockanker in der
Hand, an Land, um den Anker dort zu befestigen,
der das Schiff am Ufer halten sollte. Da saßen
wir nun mit betrübten Gesichtern. Aber was hätten
wir anderes tun sollen, wenn wir den Motor nicht
zerstören wollten. Uns blieb nichts anderes übrig,
als altes Zeug anzuziehen und dem bockenden
Motor zu Leibe zu rücken. Als er nach vier Stunden
mühevoller Arbeit - es war ein Uhr Mitternacht
geworden - noch nicht funktionierte, gaben wir es
auf. Durch einen Telephonanruf bestellten wir für
den anderen Morgen einen Monteur von Bremen.
Auch dieser hatte einen halben Tag daran zu tun,
ehe er den Fehler gefunden hatte. Bald darauf tuk-
kerte auch schon der Ankermotor, und wir lichte-
ten den Anker. Nun lagen wir wieder auf dem
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