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Freitag, 27. Februar 2004

Die Zeichen der Zeit

Schwierige Telefon-Partner. Ahnt der geschätzte Leser, wovon ich schreibe?
Impulsiv, aufbrausend, nervend penetrant, fieser Dialekt oder schlechte Telefonverbindung (Rauschen, Unterbrechungen), fordernd, harsch, Fragen stellend, die man nicht in 30 Sekunden beantworten kann, dies allerdings niemals verstehend, 10 Minuten nach dem letzten (so glaubte man 9,99 Minuten vorher noch völlig naiv) Gespräch wieder anrufend., neue Probleme anschleppend, daraufhin nach 5 weiteren kostbaren Minuten Verschnaufpause erneut mit einer brillianten Frage sich zurückmeldend ("warum hat sie nicht lieber einen Job bei >wer wird Millionär?< angenommen?"), am Ende (oh süßes Ende, wir sind gleich fertig) plötzlich einen jovialeren Ton anschlagend und einem neben den letzten Minuten und auch die letzten Nerven raubend ("...MEIN ZUG! MEIN TERMIN! NEIN, ich glaube NICHT, dass demnächst in Deutschland ein Bürgerkrieg ausbricht, und die Vorstellung, dass kurz darauf Männer wieder mit Keulen in der Hand und Knochen im Haar sich eine Frau GREIFEN scheint doch wohl eher Wunsch als Furcht zu sein. Halloo-ho, wann merkt sie eigentlich, dass ich die ganze Zeit nur noch abwimmelnd HM und NAJA und AH von mir gebe. Bitte, komm zum Ende: da man den Krankengymnasten mind. 24 h vorher absagen muss, müsste ich die heute evtl. von mir verpasste Behandlung im Zweifelsfall selber zahlen. Nein, sie reagiert nicht auf Gedankenübertragung: Aha, Tante Luise wohnt also tatsächlich auch in Bremen? Oh, das ist ja jetzt wirklich ein Ding. Nein, ich kenne ihre Tante Luise nicht. Jetzt sucht sie doch tatsächlich noch nach der genauen Adresse von Tante Luise. Doh!...").
Und die ganze Zeit bleibe ich verbindlich, freundlich und ultrahilfsbereit.
Meine einzige Art, erfolgreich und positiv mit diesen Menschen auszukommen. Denn nach kurzer Zeit stehe ich dann bei diesen Damen & Herren unter einer Art Naturschutz. Während Kollegen verzweifeln, werde ich mehrere Klassen besser behandelt. Nachsicht, Milde und eine Art von Humor sind auch bei diesen verzwickten Zeigenossen zu finden. Aber die Vorarbeit für diese Nähe, die kann in Zeitnot ein hartes Stück Brot werden.

Dieser kleine Schwank soll eigentlich nur eine mehr oder weniger interessante Einleitung für meinen heute ursprünglich recht kurzen Beitrag abgeben.

Ankunft Bremen Hbf (S-Bahn gekriegt. Metronom erwischt. Alles in letzter Minute und mit noch nicht wieder voll einsatzbereitem Knie.).

Ich steige aus und richte meine Augen in akuter Zeitnot 'gen Bahnhofsuhr. 10:37 h. Klasse, stehengeblieben.
Gibt es etwas ermüdenderes, ärgerlicheres und nutzloseres als den Blick auf eine Uhr, die stehengeblieben ist?
Und wieder öffnet sich das inneres Buch. Nicht von mir geschrieben, und von fremder Hand aufgeschlagen.

Diese Uhr ist mein Glaubensleben. Stehengeblieben. Eine Uhr, die stehenbleibt, ist evtl. ein Erbstück, eine NETTE Zierde oder nur noch ein Steh-im-weg.
Für Passanten, die sich ernsthaft auf der Suche nach einer genauen Zeitangabe befinden, kann es kaum etwas schlimmeres geben als eine Uhr, die stehengeblieben und somit für sie nutzlos ist.

Muss mich dringend mal wieder in der Werkstatt des Uhrenmachers sehen lassen.
Bitte aufziehen, justieren und neu stellen.

Und wenn dann noch Zeit ist, sollte evtl. auch die mal Klappe geölt werden.
Die klingt doch schon ganz schön schräg, wenn sie mal geöffnet wird.

Das Wort zum Sonntag | 00:12h | 2 Kommentare |comment